Von guten Mächten wunderbar geborgen ,
erwarten wir getrost was kommen mag.
Gott ist bei mir am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Wer kennt es nicht, dieses Gebet/Gedicht/Lied , das viele von uns in den Zeiten des Lockdowns begleitet und Zuversicht geschenkt hat. Wir haben es vor dem Haus unseres Pfarrers oder auf unseren Balkonen in Gemeinschaft-mit Abstand- gesungen. Verse , die der Angst, der Mutlosigkeit, der Einsamkeit, dem Jammertal, das es zu durchschreiten gilt, die Gewissheit des Aufgehobenseins und des Geborgenseins entgegenstellen. Der diese Zeilen geschaffen hat, befand sich sehr allein mitten im Jammertal, mittendrin in einer rabenschwarzen, ohnmächtigen, erdrückenden, einer tatsächlich ausweglosen Lebenssituation eines zum Tode verurteilten.
Kein Notausgang war für ihn in Sicht. Kein erlösendes Ende des Alptraums erwartete ihn.
Jedoch war sein Gottvertrauen wahrhaftig ungebrochen und scheint uns bis heute aus dem Berliner Kellergefängnis tröstend entgegenzuleuchten.
Wer war dieser Dietrich Bonhoffer?, der kurze Zeit nachdem er dieser tröstlichen Zeilen für seine Familie und seine junge Verlobte verfasst hatte, im KZ Flössenburg bei Regensburg am 9. April 1945 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde , so wie auch sein Bruder und sein Schwager auf Hitlers persönlichen Befehl erschossen wurden.
1906 wurde er als sechstes von acht Kindern in Breslau geboren. Als Sohn eines Professors für Psychiatrie und Neurologie und dessen aus einer Adelsfamilie stammenden Ehefrau, verbrachte er Teile seiner Jugend in Berlin Grunewald. Im Hause Bonhoffer war man weltoffen und tolerant. Der Umgang mit den jüdischen Nachbarn, Freunden und Kollegen war selbstverständlich und galt als Bereicherung des gesellschaftlichen und familiären Lebens. Die Bonhoeffers lebten wohl nach christlichen Werten, jedoch prägten theologische Fragen die Familie weniger als naturwissenschaftliche , philosophische, juristische, humanistische und aufgeklärte Perspektiven. Das Gedankengut der Nationalsozialisten wurde abgelehnt.
Dass Dietrich Bonhoeffer sich für ein Theologiestudium entschied, stieß nicht gerade auf Begeisterung bei seinen Angehörigen.
1923 bis 1227 studierte er Theologie in Tübingen und Rom, promovierte und habilitierte in Berlin, war sehr beeindruckt von einem Studienaufenthalt in New York, verinnerlichte hier, wie Christen sich enthusiastisch für die Schwachen einsetzten.
Als in Deutschland die Nationalsozialisten immer mehr Einfluss nahmen,- auch die Kirche durch die Partei der „Deutschen Christen“ für Werte des Nationalsozialismus durchlässig wurde,- gründete er 1934 mit Martin Niemöller die Bekennende Kirche und leitete deren Predigerseminar, auch als es illegal wurde. Er wollte die Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus verhindern. Die Bergpredigt war ihm richtungsweisend für seinen Glauben. So wie Jesus „der Mensch für andere“ war, war für ihn auch die Kirche nur Kirche , „wenn sie für andere da ist“. Auch verteidigte er die untrennbare Verbindung des alttestamentarischen Gottes zum Christentum .
Sehr schnell hatte er erkannt, welches große Unrecht den Juden geschah, war doch sein eigener Schwager als getaufter Jude und praktizierender Christ seines Amtes als Universitätsprofessor in Göttingen enthoben worden. Bonhoeffers Leitgedanke „Tu deinen Mund auf für die Stummen“ (Sprüche 31,8) bestimmte konsequent sein politisches und theologisches Handeln. Schließlich führte sein Engagement dazu, dass er sich an den Umsturzplänen gegen Hitler engagierte, was er letzten Endes mit dem Tod bezahlte.
Anke Scholz