Hausinschrift in BS: Tu du das deine, Gott tut das seine (in „ostfälischer“ Mundart) – Foto (folgt…)
Liebe Interessierte,
das war ja mal eine schöne Entdeckung. Eigentlich waren wir in meiner Heimatstadt Braunschweig bei einem Hofladen zum Kürbisfest, dann aber nutzten wir noch freie Zeit für einen Rundgang durch das alte Dorf Watenbüttel an Oker und Mittellandkanal und machten dabei diese spannende Entdeckung eines Hausspruches (siehe Foto). Ich bekenne, ein Fan dieser alten Hausinschriften im Fachwerk zu sein und lasse kaum eine „Entzifferung“ solcher Wahlsprüche aus, die mich bis heute ansprechen und vielleicht auch nicht selten den Geist und die Gesinnung seiner BesitzerInnen und BewohnerInnen „verraten“. Schon oft habe ich einen tollen Fund dabei machen können. Sie vielleicht auch? Und ist es nicht schön, wenn unsere Wohnwelt nicht einfach so nüchtern aus Mauern, Straßen und Zäunen besteht, sondern uns mitunter Geist- und Gedankenvolles begegnet und anregen kann? Hätten Sie persönlich solch eine „ultimativen“ Spruchinschrift für Ihr imaginäres Haus, von dem Sie wollten, dass es auch anderen ins Auge fiele – nur mal so gefragt?
Hier war es also folgender (mundartliche) Wortlaut, der mir bis in diese Zeilen hinein zu denken gibt: Tu du das deine, Gott tut das seine!
Von Anfang an schillerte dieser Satz in mir zwischen Zustimmung und kritischer Auseinandersetzung damit. Er klingt erstmal einleuchtend; sollte denn nicht jeder von uns das Seine tun (dürfen): wir Menschen unseren Teil und parallel dazu tut halt „der da oben“ seine Sache(n)!? Das klingt so schiedlich-friedlich als müssten wir mit Gott nicht viel zu tun haben, denn wir schauen halt vor allem auf uns selbst. Jeder macht halt so seine Sache: wir und ER!? Das wäre ein erster Zugang zum Verständnis dieses Satzes und so könnte er gemeint sein: wir und Gott haben jeweils unsere Lebenssphären auf einem ganz unterschiedlichen Niveau. Wie sie zusammenspielen, muss uns dabei nicht weiter interessieren, denn wir können uns ja ganz auf uns konzentrieren, wenn ich mich rein auf meine Sachen fokussiere. Ich glaube, in dieser Weise legen so manche Mitmenschen ihr Leben auch an, wenn sie eigentlich „Gott einen guten Mann sein lassen“, der sie aber (fast) gar nicht interessiert. Sie sind ganz bei und für sich, denn sein Bereich ist ein völlig anderer als ihr persönliches Leben. Vielleicht geht das so in Richtung eines Liedes von Udo Lindenberg: ich mach mein Ding? Da heißt es im Refrain: Egal, was die anderen sagen Ich geh meinen Weg, Ob gerade, ob schräg, das ist egal. Ich mach mein Ding. Egal was die anderen labern, was die Schwachmaten einem so raten, das ist egal: Ich mach mein Ding. Das klingt nach der postmodernen Lebensphilosophie: haltet euch alle raus aus meinem Leben, denn ich mache, was ich selbst und allein für richtig halte. Und in diese Richtung scheint mir unser Fassadenausdruck auch zu klingen. Da gibt es Gott natürlich noch als eine (irgendwie beigeordnete) Instanz – nur mit meinem direkten Leben soll sie nicht viel zu tun haben, denn mein Leben ist meine Sache! Also nicht nur: Freitag um eins, macht jeder seins, sondern eigentlich immer. Ich weiß auch, dass es noch ganz andere Verständnismöglichkeiten dieses „Volksmundes“ gibt und vielleicht haben sie ja auch Lust, mal ein paar Alternativmöglichkeiten der Interpretation durchzuspielen, aber mir war so, als ob das Wort nach einer heute verbreiteten Art klingt, die Gott weitgehend aus dem eigenen Leben raushält, oder sehe ich das ganz falsch?
Doch eines steht für mich ganz fest (und das kann ich besonders an dem kommenden Jahreshöhepunkt im Kirchenjahr festmachen), dass Gott sich ganz und gar nicht aus dieser Welt und unserem Leben raushält. Denn er wollte ja mit seinem Sohn eben ganz und gar nicht „in der Schwebe“ für uns bleiben, obendrüber, nebulös und wolkig, sondern er geht leibhaftig in diese Welt und damit (das ist sein wundervolles Angebot für uns) in jedes Menschenleben ein. Gott wird eine/r von uns und möchte so durch das Leben Jesu in unserer Haut stecken! Und er wird damit ein konkreter und wichtiger Faktor, um die Geschicke dieser Welt intensiv mitzubestimmen, wo man sich nach ihm richtet und ihn mit- und ausreden lässt. So ist durch Weihnachten wohl gemeint, dass Gott in uns allen mehr und mehr weiterhin zur Welt kommt, damit sich das Wunder seiner Menschwerdung bei einer wachsenden Zahl von Menschen nachvollzieht. Dann aber ist Gott nirgendwo mehr außenvor, sondern immer mittendrin und dann lässt sich diese Absonderung von uns und ihm gar nicht mehr durchhalten. Gott „mengt“ sich mitten in unsere Lebensvollzüge und Gedanken- wie Tathergänge hinein, so wie es Jesus mit seiner Ansprache an die Menschen auf den Punkt brachte: das Reich Gottes ist mitten in/ unter euch!
Und dann würde ich viel lieber die Entdeckung des Hausgiebelwortes in der Art eines Emanuel Geibel verstehen: Tu du redlich nur das deine, Tu’s in Schweigen und Vertraun, Rüste Balken, haue Steine! Gott der Herr wird baun. Gott „baut“ also längst schon mit in unseren Lebensvollzügen, wo wir noch denken, für uns alleine unterwegs zu sein. Er „nutzt“ alle unsere Wege für seinen Gesamtweg mit dieser Welt und es wäre Anmaßung, wo Menschen dächten, sie lebten völlig autonom von IHM. Das erschließt sich zwar keinem vorzeitig, aber darauf dürfen wir vertrauen, dass nirgendwo etwas umsonst, vergeblich oder unsinnig und losgelöst von Gott geschieht – wenn es auch noch so oft danach aussieht. Und ich möchte auch das Fachwerkgraffito gerne auf diesen Nenner bringen, wie es ein bekanntes Gesangbuchlied (Wer nur den lieben Gott lässt walten… EG 369) in seiner Schlußstrophe als tolle Lebensanweisung für uns bereithält: Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht. Denn ist es nicht wunderschön, uns das „gläubig“ (vertrauensvoll) vorstellen zu dürfen, wie Gottes und unser Handeln und Wandeln ineinandergreifen und von Gottes Segnungen in seine Richtung gelenkt werden? Das ist die tiefere Weihnachtsgeschichte von Gottes- mit-uns-sein zwischen den Zeilen von Lukas 2 und leuchtet bis heute aus ihrem Hintergrund wie Gold hervor: wo auch immer Menschen es noch so schlimm und schlecht machen mit ihren Ego- und Extratouren – Gott lässt es sich nie nehmen, seine heilsamen Korrektive einfließen zu lassen, damit wir uns alle immer wieder auf das Bessere und Beste besinnen können und nicht einfach so „mir nichts, Gott nichts“ fortfahren. Und darum ist ja diese herrliche Traumsequenz von den „Fußspuren im Sand“ so weihnachtlich, wenn die Pointe ein Aha auslösen möchte, dass es in den heikelsten Zeiten nicht zwei parallele Fußspuren (Gottes und des Menschen), sondern nur eine gibt, weil Gott uns alles in allem längst schon trägt, führt und errettet. Und wie nötig wir es haben, von Gott gelenkt und geleitet (eben nicht nur irgendwie behütet) zu werden, dass verrät uns immer wieder die tiefe Einsicht in das Wort von Winston Churchill: um die Welt zu ruinieren, genügt es, wenn jeder seine Pflicht tut (oder, was er dafür hält!). Menschliche Sturheiten (fixe Ideen) standen schon immer an der Wiege verheerender Entwicklungen, so wie auch jetzt ganz aktuell in unzähliger Hinsicht, wenn „so allerhand Leute“ nur das Ihre tun – abgesehen von Gott! So wünsche ich uns mit diesen ungewöhnlichen weihnachtlichen Gedanken ein gesegnetes Miteinander und Beieinander mit unserem lebendigen Gott in Kirche und allen Häusern unserer Ortschaft, aber natürlich auch in liebevoller Dichte mit allen, die uns als unsere Nächsten und Liebsten umgeben. Dass Weihnachten uns derartig wahr und wirklich werde, wünscht Ihnen von ganzem Herzen Ihr
Pfarrer Dirk Westphal